Warum sind die Steuerbescheide in Erbschaftssachen oft viel zu hoch?
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 2006 festgelegt, dass bei einer Erbschaft oder Schenkung betroffene Immobilien mit Werten zu berücksichtigen sind, die sich am gemeinen Wert bzw. dem Verkehrswert orientieren. Diese Forderung ist bei der Novellierung des Bewertungsgesetzes zum 01.01.2009 in die Praxis umgesetzt worden.
Vor der Novellierung des Bewertungsgesetzes wurden für die Ermittlung der Erbschaft- und Schenkungsteuer Immobilienwerte herangezogen, die etwa 70 % der Verkehrswerte betrugen. Mit der Novellierung des Bewertungsgesetzes ist das Bewertungsverfahren so geändert worden, dass die ermittelten Immobilienwerte sehr nahe an dem Verkehrswert, als bei etwa100% liegen sollen.
Für die Ermittlung des Grundbesitzwerts nach dem Bewertungsgesetz, der dem Verkehrswert entsprechen soll, werden jedoch keine Verkehrswertgutachten durch Sachverständige erstellt. Vielmehr hat man den Finanzbeamten ein vereinfachtes Berechnungsschema an die Hand gegeben, mit dem ohne Ortsbesichtigung und ohne Bewertungskenntnisse auf einfachste Art und Weise und ohne jeden Spielraum die Verkehrswerte festgesetzt werden.
Rein statistisch gesehen sind 50% der nach diesem Schema ermittelten Werte zu hoch, selbst wenn man die systembedingten Mängel nicht beachtet.
Gerechtfertigt wird diese Vorgehensweise mit der sogenannten Öffnungsklausel, welche besagt, dass jeder Steuerpflichtige zum Nachweis des geringeren Wertes ein Sachverständigengutachten beauftragen und zur Minderung der Steuerschuld vorlegen darf.
Das bedeutet im Klartext: Wer sich nicht wehrt ist selber schuld!
Es bleibt festzuhalten, dass der Steuerpflichtige nicht mehr auf einen gerechten Steuerbescheid vertrauen kann.
Die dem Finanzamt vorgeschriebenen Verfahren enthalten erhebliche Mängel, wodurch die Verkehrswerte oft viel zu hoch ermittelt werden.
Die wesentlichen Mängel des Verfahrens sind:
- Auch wenn ein Gebäude wirtschaftlich abgeschrieben ist, wird trotzdem eine Restnutzungsdauer von 30 % der Gesamtnutzungsdauer unterstellt. Dabei werden die dafür nötigen Modernisierungskosten nicht wertmindernd berücksichtigt!
- Ein- und Zweifamilienhäuser werden immer mit mindestens 40 % ihrer aktuellen Herstellungskosten zuzüglich des Bodenwerts berücksichtigt.
- Rechte wie z.B. Wohnrechte, welche den Wert mindern, werden nicht berücksichtigt!
- Die Sachwertfaktoren und Liegenschaftszinsen berücksichtigen nicht den regionalen Markt und führen daher gerade in strukturschwachen Gegenden zu überhöhten Immobilienwerten.
Dazu zwei Beispiele aus der Praxis:
Kleines Wohnhaus nach dem Sachwertverfahren
Parameter | Grundbesitzwert nach BewG | Marktwert nach ImmoWertV |
Baujahr | 1955 | 1955 |
Gebäudesachwert | 149.277 € | 171.500 € |
Alterswertminderung | 48 % = – 71.653 € | 71 % = – 121.800 € |
Bodenwert | 20.000 € | 20.000 € |
vorläufiger Sachwert | 97.624 € | 69.700 € |
Sachwertfaktor | 1,00 | 0,87 |
marktangepasster
vorläufiger Sachwert |
97.624 € | 60.640 € |
Baumängel und Bauschäden | -16.000 € | |
Nießbrauchrecht | -30.800 € | |
Marktwert zum 01.01.2012 | 97.624 € | rd. 14.000 € |
Steuerersparnis bei einem Steuersatz von 30% rd. 25.000 Euro!
Mehrfamilienhaus nach dem Ertragswertverfahren
Parameter | Grundbesitzwert nach BewG | Marktwert nach ImmoWertV |
Baujahr | 1929 | 1929 |
Gesamtnutzungsdauer | 80 Jahre | 80 Jahre |
Restnutzungsdauer | 24 Jahre | 10 Jahre |
Rohertrag | 16.500 € | 16.500 € |
Bewirtschaftungskosten | -27 % = – 4.455 € | -29,00 % = -4.785 € |
Bodenwertverzinsung | -3.600 € | -3.970 € |
Liegenschaftszins | 5% – Barwertfaktor 13,80 | 5,5 % – Barwertfaktor = 7,54 |
Ertragswert Gebäude | 116.541 € | 58.400 € |
Bodenwert | 72.250 € | 72.250 € |
Vorläufiger Ertragswert | 188.791 € | 130.650 € |
Bauschäden und Baumängel | 0 € | -30.000 € |
Marktwert zum 01.01.2012 | 188.791 € | rd. 100.000 € |
Steuerersparnis bei einem Steuersatz von 30% ca. 26.600 Euro!
Angesichts dieser Zahlen sind die obigen Ausführungen sicherlich nicht überzogen und man kann nur jedem Steuerpflichtigen empfehlen, die Grundbesitzfeststellung des Finanzamts durch ein Verkehrswertgutachten eines Sachverständigen überprüfen zu lassen. Sinnvoll ist es natürlich auch in vielen Fällen, schon bei der Abgabe der Feststellungserklärung sachverständige Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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Dipl.-Ing. Hans Ulrich Esch